Im Waldhaus Lützelflüh hat am 29. August 2023 die 100. Dahlienausstellung geöffnet. Bereits seit vier Generationen existiert das Blumenparadies eingebettet in der Hügellandschaft des Emmentals.

Schweizweit einzigartig
Während bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts zahlreiche Dahlienausstellungen im Herbst viel Publikum anlockten, ist die Dahlienschau in Lützelflüh heute die einzige ihrer Art in der Schweiz. Bis vor einigen Jahren gab es im bündnerischen Tamins noch eine Ausstellung ähnlicher Grösse. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts waren die Dahlienausstellungen richtige Publikumsmagnete. Für die älteren Blumenfreunde ist besonders die Dahlienschau in Unterengstringen unvergesslich. Diese wurde jeweils von mehreren Zehntausend Menschen besucht. An einigen Herbstsonntagen war dort der Besucherandrang grösser als bei den Fussballmatches im nahegelegenen Hardturm. Auch das damalige Huttwiler Carunternehmen Lanz Reisen bot diese Fahrt in Verbindung mit einem Besuch des Flughafens Kloten regelmässig an. Heute erinnert in Unterengstringen nur noch die Überbauung Dahlienpark und die Dahlienstrasse an die glorreichen Zeiten.

Ein Blick in die Vergangenheit
Im Jahre 1438 zog Peter Bärtschi nach Waldhaus. Der nächste schriftliche Eintrag findet sich in einem Schreiben aus dem Jahre 1723, ausgestellt durch die Landvogtei Brandis auf die Namen Christian und Maria Bärtschi, unterzeichnet durch den damaligen Landschreiber namens von Graffenried. Dieses, sowie weitere Dokumente aus dieser Zeit befinden sich noch heute im Familienbesitz von Elisabeth Brändli-Bärtschi.

Jahrhundertelang waren die Nachfahren immer Bauern, bis im Jahre 1910 Hans Bärtschi, Sohn des Johann Bärtschi, als gelernter Gartenarchitekt anlässlich eines tudienaufenthaltes in Köstritz erstmals mit Dahlien in Kontakt kam. Im Reisegepäck brachte er die ersten Dahlienknollen nach Waldhaus und so begann seine Leidenschaft rund um die Dahlien zu wachsen. 1923 organisierte er die erste Dahlienschau und 1924 wiederholte er diesen Anlass. Richtig los ging es erst im Jahre 1927 mit einer bereits dreitägigen Dahlienschau. Den vielen Besuchern aus nah und fern wurde damals u.a. als Verpflegung 1 Stück selbstgebackenes Bauernbrot und ein Glas selbstgepresster Süssmost für Fr. -.25 angeboten.

Als Hans Bärtschi 1936 verstarb, mussten seine beiden Brüder Fritz und Walter, die aber vielmehr berühmte Viehzüchter und Landwirte waren, die Dahlienkulturen so nebenbei übernehmen. Ab 1964 führte die Tochter von Fritz Bärtschi, Elisabeth Bärtschi das Geschäft, ab 1970 mit Unterstützung durch ihren Ehemann Otto Brändli-Bärtschi. Zu dieser Zeit wurden nebst den Dahlienfeldern Ausstellungen mit bis zu 10000 Schnittblumen veranstaltet. Die Artenvielfalt wurde ständig erweitert. Keine Reise ohne Knollen als Souvenir im Reisegepäck. Heute gibt es über 250 verschiedene Sorten im Angebot. Durch die ständige Erweiterung sind heute viele verschiedene Sorten Fuchsien, 63 verschiedene Teeminzen, Tropenpflanzen, über 400 Küchen- und Heilkräuter zu bestaunen. All diese Delikatess-Kräuter gibt es auch zu geniessen. Im Blueme-Festhüttli, welches während der Dahlienschau ab Ende August bis ca. Mitte Oktober (Frosteintritt) geöffnet ist, finden BesucherInnen zahlreiche Spezialitäten.

Karin Mäder, mit tatkräftiger Unterstützung durch Elisabeth Brändli-Bärtschi, führt seit 2014 die Gärtnerei in Waldhaus weiter und ist bestrebt, die Jubilarin weiterhin mit jugendlich-blumigem Elan in die Zukunft zu führen. Neu ist auch ein vollelektronisches Gewächshaus. Grossen Wert legen Karin Mäder, Elisabeth Brändli-Bärtschi und ihre MitarbeiterInnen auf neue Angebote.Die grosse Freiland-Dahlienschau in Waldhaus kann kostenlos von Ende August bis anfangs Oktober (Frosteintritt) besucht werden (Kollekte).

Ein Feuerwerk der Farben

Bemerkenswert: Eigenzüchtung hat es als einzige Schweizer Dahlienzüchtung bis nach Hamburg und Frankreich geschafft
Bernard Brändli ist es gelungen, nach fast 6jähriger Arbeit, eine Dahlien-Eigenzüchtung zur Taufe zu bringen. Sein Gruss aus Waldhaus ist bis heute die einzige Schweizer-Dahlienzüchtung, welche u.a. im Dahliengarten Hamburg sowie im Schlossgarten der französischen Dahliengesellschaft zu bewundern ist.

Blueme-Festhüttli
Aber nicht nur das Auge, sondern auch der Gaumen kommt im Waldhaus auf seine Kosten. Mit dem offiziellen Start der Dahlienschau am 29. August öffnet auch das «Blueme-Festhüttli», wo die Besucher die währschaften Emmentaler Spezialitäten geniessen können. Im reizvollen Ambiente sorgen die Blumenfeen für das leibliche Wohl der Gäste. Das sonntägliche Burezmorge ist weitherum bekannt. Für angemeldete Besuchergruppen wird dieses auch unter der Woche angeboten. Gemäss den Erzählungen der Urgrossmütter war besonders der Zwetschgenkuchen mit Nidle fast so legendär wie die Merängge im Kemmeriboden-Bad. Heute ist das kulinarische Angebot auf den kleinen und grossen Hunger abgestimmt und wird während den Öffnungszeiten bis Mitte Oktober (Frosteintritt) angeboten.

Biodiversität und ProSpeciaRara
An leichter Hanglage mit Blick über das weite Tal der Emme bis hin zu den Berner Alpen können die Besucher ein Blütenmeer mit einer grossen Vielfalt an Farben und Formen bestaunen. Die ursprünglich aus dem Land der Azteken stammenden Dauerblüher gedeihen auch in unseren Breitengraden prächtig. Kultiviert werden nebst den herkömmlichen  Dahliensorten mit einer grossen Vielfalt an Farben und Blütenformen auch 50 alte Arten in Zusammenarbeit mit ProSpecieRara, der Schweizerischen Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren. Jedes Jahr kommen Neuheiten dazu. Ein ganzes Feld gehört inzwischen den «Bienendahlien». Dort sind an schönen Tagen Tausende von Bienen, und Hunderte von Schmetterlingen und Hummeln zu bewundern. Um die Biodiversität zu fördern, hat Elisabeth Brändli-Bärtschi über viele Jahre weltweit ein Sortiment dieser immer beliebter werdenden Arten zusammengetragen. Im Spätfrühling pflanzt das Waldhaus Team jeweils über 10 000 Knollen. Der Termin ist bewusst so spät gewählt, damit die Besucher die Hochblüte der Königin des Herbstes, wie die Dahlie auch genannt wird, nach dem Abklingen der Sommerhitze erleben können.
Vor Ort können die Blumenfreunde nicht nur die Farbenpracht der Dahlien bewundern, sondern auch gleich Knollen für den eigenen Garten oder Balkon bestellen. Ausgeliefert werden diese dann im kommenden Frühling. Der Verkauf der Knollen und Schnittblumen während der Ausstellung ist ein wichtiges Standbein des Betriebes.

Langjährige Geschichte

Geschichte der Dahlien
Die Dahlie stammt aus dem Hochland von Mexiko, wo sie seit über 50 Jahren als Nationalblume gilt. Bereits in den grossen Gartenanlagen der Azteken wurden diese Blumen gepflanzt. Im 18. Jahrhundert brachten die Spanier die Dahlien nach Europa, wo sie als Modeblume manchen Palastgarten schmückten und auch zu einer beliebten Schnittblume wurde. Wenig bekannt ist die Geschichte der Dahlien als Nutzpflanzen: Im Jahr 1789 sandte der Direktor des Botanischen Gartens von Mexiko-Stadt, Vincente Cerventes, erste Dahlien als Nutzpflanzen nach Madrid. Elf Jahre später, im Jahr 1802, brachte der französische Botschafter in Madrid, Lucien Bonaparte, Dahlien nach Paris.

Der Botaniker und Züchter André Thouin verbreitete sie in Frankreich als neue Nutzpflanzen. Damals wurde ebenfalls festgestellt, dass Dahlienknollen das nahrhafte, stärkeähnliche Kohlehydrat Inulin enthalten. Dr. Hans Balzi aus Schweden empfahl Diabetikern den Verzehr von Dahlienknollen. In seinem Buch «Inulingemüse» gibt er Anleitungen für die Zubereitung von Dahlienknollen. Mit dem wachsenden Interesse für Kartoffeln, deren Zucht sich schnell verbreitete, sind Dahlien als Nutzpflanzen in Vergessenheit geraten. Entscheidend zur Verbreitung im deutschsprachigen Raum beigetragen hat Alexander von Humboldt, der 1804 von seiner Mittel- und Südamerika-Reise Dahliensamen nach Berlin brachte. Heute kommen jedes Jahr zahlreiche Neuzüchtungen hinzu, was in den letzten Jahren zu einer wahren Renaissance dieser einzigarten Blumen geführt hat.

Von: Emmental Tourismus
Text & Bilder: Kultur und Tourismus Kommission, Murielle Blaser

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