Wer einen Gürtel, eine Tasche oder eine Portemonnaie aus Leder kauft, besitzt nicht selten ein Produkt, das von der Emmeleder GmbH in Langnau hergestellt wurde. Das aus der traditionsreichen Gerberei Gerber hervorgegangene Unternehmen, welches 2003 gegründet wurde, wird geleitet von Beat Fankhauser (Geschäftsführer und Produktionsleiter) sowie Markus Meyer (Marketing und Einkauf) und beschäftigt rund 20 Mitarbeitende. Die Lederprodukte werden den Endkunden direkt im Fabrikladen und über Wiederverkäufer angeboten. Doch auch Sattler und Glockenhersteller setzen auf Roh- und Halbfertigprodukte aus Langnau.
Markus Meyer, verantwortlich für das Marketing und den Einkauf bei Emmeleder, führt uns durch die Räumlichkeiten, in denen fleissig gearbeitet wird. Es gibt viel zu entdecken, zum Beispiel die schönen Taschen, Portemonnaies und Gürtel im Fabrikladen. Doch zuerst sehen wir uns die verschiedenen Stationen an, die das Leder in seinem Veredelungsprozess durchläuft.
Wir betreten die sogenannte Nasszone der Produktion. Emmeleder kauft seine Rohhäute in der Schweiz sowie Österreich, Frankreich und Deutschland und lässt diese in Italien gerben. Das Unternehmen bezieht nur ökologisch gegerbtes Leder, welches mit pflanzlichen Gerbstoffen bearbeitet wurde. Die noch feuchten Rindshäute, die bereits in Italien gegerbt wurden, kommen bei Emmeleder zuerst in die Nasszone. Hier werden die Leder sortiert, selektiert und crouponiert, also in Teile geschnitten. Man unterscheidet den Croupon, das Rückenstück, und das kleinere Halsstück. Das dicke, grossflächige Leder des Croupons wird zum Beispiel zu Glockenriemen oder Reitsätteln verarbeitet. Aus dem dünneren Halsteil entstehen beispielsweise Gürtel. In Langnau wird nicht mehr gegerbt, weil die Auflagen und Kosten bezüglich Umweltschutz hoch sind. «Das Gerben von einem Quadratmeter Rohhaut verschlingt fast 1000 Liter Wasser. Und auch wenn wir pro Monat 700 bis 1000 Rinderhäute verarbeiten, rechnet sich das nicht», erklärt Meyer.
In der Nasszone wird nebst der Selektion und dem Zuschneiden das Leder zum Teil nachgegerbt, um die Haut noch dicker zu machen. Auch wasserabstossende Eigenschaften erhält es hier, falls nötig. Da das an Emmeleder gelieferte Leder mit pflanzlichen Stoffen gegerbt wurde, muss es dazu mittels der sogenannten Einbrenn-Maschine mit Wachs versetzt werden. Will man ein so mit Wachs getränktes Leder färben, muss die Oberfläche in einer anderen Maschine wieder eingeweicht werden, ein Teil des Wachses wird entfernt und die Rohhaut wird grundiert. In einem Nebenraum der Nasszone werden aus grossen Lederstücken laufend Gürtelstücke gestanzt, die danach in der Sattlerei fertiggestellt werden.
Hohe Kompetenz in der Lederveredelung
In einem anderen Teil der Anlage werden Lederstücke gefettet, gefalzt oder nachgegerbt. Gefalzt bedeutet, dass das Leder mithilfe einer Maschine auf der Fleischseite beziehungsweise Innenseite mit Spiralmessern abgeschabt und auf die gewünschte Dicke gebracht wird. Gefettet wird Leder, wenn es sehr weich sein muss. Dazu wird das Leder in meterhohe Trommeln gesteckt und heisses Fett zugegeben. Auch Leder mit starken Kratzern kann wieder verschönert werden. Dies geschieht in der Schleif-Strasse. «Auf dieser Anlage produzieren wir auch Nubuk-Leder (Rauleder)», erklärt Markus Meyer. Wir gehen weiter und beobachten zwei Arbeiter beim «Ausrecken»: Die noch feuchten Rohhäute werden dazu in eine Maschine gelegt, wo ein rotierender Zylinder mit stumpfen Spiralmessern die Falten ausreckt. Danach werden die Häute zum Trocknen aufgehängt. Anschliessend wird das Leder noch maschinell gestollt, also geklopft, damit es weicher wird und besser weiterverarbeitet werden kann. Trotz Maschineneinsatz kann die Gerberei auf kräftige Hände sowie viel Geduld und Erfahrung nicht verzichten, damit aus den Rohhäuten hochwertige Lederwaren entstehen können.
In der Sattlerei stellen Arbeiter gerade schwarze Appenzeller-Gürtel her, die auch «Chueli-Gürtel» genannt werden. An den Gürteln werden Schnallen eingesetzt und der Gürtelriemen wird mit Dekorationen versetzt. Ursprünglich wollte Markus Meyer den Gurtherstellern im Appenzell bloss sein Leder verkaufen. Sein Leder sei viel zu teuer, hiess es damals. Geschäftsmann Meyer entschloss sich kurzerhand, den Spiess umzudrehen und verkauft heute eben Appenzeller Gürtel aus Emmentaler Produktion.
Nebenan steht eine wuchtige Nähmaschine. «Damit nähen wir die Glockenriemen für Glocken und Treicheln», sagt Meyer. Die Herstellung des Glockenriemenleders ist eine Kernkompetenz des Betriebs: Circa 50 Prozent des Umsatzes entfallen auf das Glockenriemenleder, welches basierend auf einer alten Tradition hergestellt wird. «Wir sind in der Schweiz und in Europa fast die einzigen, die diese Riemen im grossen Stil herstellen», weiss Markus Meyer. Während im Bernbiet meist schwarz gefärbtes Leder zum Einsatz kommt, sind in der Westschweiz Glockenriemen aus weiss gefärbtem Leder gefragt.
In der Sattlerei werden auch Textil-Taschen für Nachtsichtgeräte, lederne Zugleinen für Davoser Schlitten, Hundeleinen und die Gürtel für eidgenössische Schwingfeste und verschiedene Polizeikorps hergestellt. Manche Teilschritte werden auch im Ausland vorgenommen; beispielsweise werden die meisten Portemonnaies in Osteuropa zusammengenäht. «Würden wir ein solches Produkt, welches wir derzeit für rund 60 Franken verkaufen, komplett in der Schweiz nähen, läge der Verkaufspreis bei circa 300 Franken», informiert Meyer. Stolz ist er auf das benachbarte Lager mit eingefärbten, grossflächigen Lederstücken aller Art. «Handwerker aus der ganzen Schweiz erhalten bei uns 75 verschiedene Ledersorten inklusive Zubehör; zum Beispiel Straussenleder aus der Schweiz, Rindsleder in allen Varianten oder auch Gürtelschnallen und -nieten», sagt er.
Grosses Sortiment und ein offener Geist
Leder wird bei Emmeleder in zwei Schritten eingefärbt. Zum ersten Mal gefärbt wird es kurz nach der Ankunft, danach läuft es in den oberen Stockwerken durch eine Art überdimensionale Spritzpistole, in welcher es zum zweiten Mal gefärbt und dann maschinell getrocknet wird. Erst durch dieses zweite Färben wird der Farbton einheitlich und deckend. Die Leder-Profis kennen aber noch andere Möglichkeiten, um Leder eine besondere Note zu verleihen. Mit einer Prägepresse und Rindsleder lassen sich auch Krokodil-Leder oder eine Holzrindenstruktur perfekt imitieren. Diese Muster werden für Gürtel und Taschen eingesetzt. Auch Felle werden kreativ bearbeitet: So lässt Meyer extern mit einem Laser gezielt Löcher in gefärbte Fellstücke schneiden und kreiert daraus exklusive Taschen.
Nebst Gürteln, Taschen, Mappen und Portemonnaies verkauft und produziert Emmeleder auch Lederböden sowie Souvenir- und Werbeartikel für Firmen mitsamt Logos. Doch die Spezialisten bespannen gerne auch alte Ledermöbel. Offenheit und Mut für ungewöhnliche Produkte und Dienstleistungen sind Teil der Firmen-DNA. «Wir sind immer interessiert an neuen Anwendungsfeldern und offen für Anfragen und Partnerschaften», betont Meyer. So arbeitet das Unternehmen seit einiger Zeit mit einer Lederschnitzerin aus der Region zusammen, die kunstvolle Gämsen, Hirsche, Hunde oder auch Personen auf Lederportemonnaies, Gurtschnallen und Flachmänner zaubert. Auf Bestellung verewigt die Künstlerin auch Familienmitglieder und Haustiere. Meyer freut sich über die erfolgreiche Zusammenarbeit: «Diese traditionelle Technik ist bei unseren Kunden so beliebt, dass schon bald eine zweite Schnitzerin für uns arbeiten wird.» Was der Rundgang gezeigt hat, ist auch im Fabrikladen spürbar: Der unbedingte Wille und eine grosse Freude, aus einem vermeintlich traditionellen Werkstoff stets verlässliche, hochwertige – und manchmal auch überraschende – Produkte herzustellen.
Von: Emmental Tourismus
Text & Bilder: Christian Bärtschi